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Thursday, July 04, 2013

Achsenbruch im brasilianischen Nirgendwo.


Eine Busfahrt, die ist lustig... 

Fortsetzung des vorherigen Brasilien-Posts, einem Ausschnitt aus meinem Reisetagebuch vom 24.9.2012.


Dieses Abenteuer hat mich wirklich an meine Grenzen gebracht. Und immer wenn ich meine Zeilen in meinem Reisetagebuch lese, bekomme ich eine Gänsehaut...


"... Es geht wieder auf die andere Seite des Flusses. Das Fußballspiel steht an. Wir sind mit Sportklamotten und den mitgebrachten Joggingschuhen oder Chucks ausgestattet. Joa. Und die indigene Fußballmannschaft mit Stollenschuhe, Trikots und Co. Wir hatten nur noch wenig Wasser dabei und Nichts zum Essen.





Was merken wir uns für die Zukunft?!
Bei unserer Abfahrt vom Hotel wussten wir nicht, ob wir noch an einer Tankstelle rasten konnten, gingen aber davon aus, da dies meistens der Fall war. Zudem waren wir erst in der selbigen Nacht gegen 1 am im Hotel angekommen. Da hatte nichts mehr auf. Und die Abfahrt in das indigene Dorf weitab von Zivilisation, nur über Funk erreichbar und nur von Regenwald umgeben, war dann direkt nach dem Frühstück. Leider war gestern alles anders. Ich hatte insgesamt nur 1,5 Liter Wasser dabei. Meine Banane aß ich schon auf der zweistündigen Hinfahrt. Das Fußballspiel verloren wir. Aber trotzdem hatte es Spaß gemacht. Für die Mannschaft haben die "Zuschauenden" ihr Wasser aufgespart. Denn nur durch den Sport kamen wir überhaupt in Kontakt mit dem Dorf. Wir stiegen wieder in den Bus und wünschten uns alle nach einem Tag in der Sonne und einem schweißtreibenden Fußballspiel eine schnelle Heimreise und möglichst schnell wieder Trinkwasser.



Ohne Rad fährt sich's schlecht.
Doch die Rückfahrt mit Einbruch der Dunkelheit gestaltete sich als Abenteuer der ganz besonderen Art. Nach etwa 40 Minuten auf der Schlaglochroute fuhren wir über eine Holzbrücke. Und mit Holzbrücke meine ich eine Holzbrücke aus Bretterverschlägen, die über einen Fluss montiert waren. Und ja, wir fuhren mit unserem BUS über diese Brücke. Unser Busfahrer wollte auch ziemlich schnell wieder nach Hause. Das merkte man an der konstanten hohen Geschwindigkeitsnadel. Für die Brücke, vor Allem aber für den Bus war die Geschwindigkeit zu hoch. Wir schanzten regelrecht über die Brücke in ein Schlagloch und wieder daraus und .... blieben stehen. Inzwischen hatten wir begonnen deutsche Schlager im Bus zu singen und uns auf unsere Betten zu freuen. So sangen wir "Griechischer Wein" bis zu besagtem "Schanzenflug". Und angeblich wurde ich kreidebleich. Denn als der Bus plötzlich ausging und ich aus dem Fenster schaute, fragte mich jeder: "Katie, alles ok? Du bist kreidebleich!" Ich werde meine Worte wohl nie vergessen: "Unser Rad rollt gerade in den Wald."






Diagnose: Achsenbruch.
Kurz nach der Brücke. Wäre der Bus zwei Meter vorher zum Erliegen gekommen, wäre der Bus samt uns in den Fluss gefallen. Zum Glück stand der Bus - zwar wacklig, aber immerhin auf "festem" Boden - und wir konnten aussteigen. Was nun? Weit ab vom Dorf, von Novo Progresso, von jeglicher Zivilisation. Jetzt hieß es warten. Aber es war Vollmond.
Nach etwa 20 Minuten kamen Indigene mit einem Pick-up auf der Straße entlang und nahmen unsere Professorin nach Novo Progresso mit, um Hilfe zu holen. Es lag nun ganz alleine an ihr, uns zu helfen. So etwas wie Handyempfang gab es hier - mitten im Nirgendwo im brasilianischen Regenwald nicht. Ach ja: Und die letzten Schlücke Wasser aus allen Wasserflaschen waren endgültig weg. Warten. Warten. Warten. Bei 30°C, hoher Luftfeuchtigkeit. Neben uns klosteten noch Baumreste von der vorangegangenen Brandrodung. Jemand sagte zu mir: "Schau mal, Glühwürmchen." Er zeigte Richtung Baum. "Nein, das sind keine Glühwürmchen, das sind die Feuerfunken von den noch glühenden Bäumen, verdammt noch mal!" Ich war am Ende der Kräfte. Gerade in diesem Moment packte mich der Lagerkoller.

Weit und breit keine Hilfe. 
 Ich wollte einfach meine Ruhe. Ich wollte trinken. Der Wassermangel war unerträglich und in meinem Kopf begannen die Kopfschmerzen. Wir legten uns auf den kühlen Straßenboden aus Erde, Lehm und Sand um ein wenig zu schlafen. Was muss das für ein Bild gewesen sein - wir vor einem kaputten Bus unterm Vollmond im Regenwald - und neben uns noch glühende Bäume. In diesem Moment war es uns ziemlich egal, welche giftigen Spinnen, Schlangen und Käfer am Boden ein Leichtes mit uns gehabt hätten. Aber gegen Moskitos haben wir uns immer noch fleißig eingesprüht. Jaja. Wenn schon während der ganzen Zeit, dann auch jetzt. Und mir wurde immer schwindliger vor Augen. Ich war am Ende. Und dann war alles schwarz.

Der Durst raubte alle Kräfte.
Irgendwann wurde ich von einem Freund grob wachgerüttelt. "Wach auf, Katie. Du bleibst jetzt wach!" Ich hatte kein Energie mehr. Absolut nicht mehr. Und auf meiner Zunger war schon eine Sahara! Ich hatte Durst! Nach insgesamt drei Stunden warten kam ein Pick-up. Aber nur 13 von uns konnten mit. Die Jungs ließen und Mädels vor. Ich war so dankbar, da zu meinen Kopfschmerzen auch Übelkeit und Kreislaufprobleme hinzukamen. Zu viert quetschten sie sich auf die Rückbank, weitere acht auf die Pritsche des Pick-ups. Ich behielt die Geschwindigkeitsnadel im Auge, um mich wach zu halten. 40km/h auf der Schotterpiste, später 130km/h auf der asphaltierten BR163. Die Jungs erzählen mir später, wie anstrengend es war, sich so lange festzuhalten und dabei noch wegen der Schlaglöcher ständig auf die Pritsche zu knallen. Auf der Rückfahrt suchten wir vergeblich nach Scheinwerfern von einem weiteren Pick-up, den der Fahrer unseres Pick-ups versprochen hatte. Denn schließlich waren noch etwa zwölf Leute an der Unfallstelle! Nichts.


Kurz nach 4 Uhr morgens trafen wir im Hotel ein. Unsere Professorin hatte Bier, Cola, Wasser und Pizza organisiert, da wir den ganzen Tag so gut wie nichts gegessen hatten. Getrunken ja sowieso wenig. Ich bekam Notfalltropfen für meinen Kreislauf und legte mich erstmal schlafen. Und trank. und trank. und trank. Etwa eine Stunde später wachte ich wieder auf und sah, dass die anderen immer noch nicht von der Unfallstelle zurück waren. Diejenigen, die mit mir zurückkamen, warteten auf den Pick-up vor dem Hotel. Schlafen konnte niemand. Und obwohl ich wirklich müde war, konnte ich nicht mehr schlafen. Nach einer Dusche nahm auch ich ein Bier und setzte mich zu den anderen vor das Hotel. Gegen halb sechs kam ein Bus ans Hotel - mit dem Rest der Gruppe. Alle "wohlauf", alle fertig, aber ohne Zusammenbrüche. Diese Nacht werde ich nie vergessen. Es war wie ein Traum. Aber es war Realität. Wasser ist überlebenswichtig. Und seitdem habe ich immer Wasser dabei - lieber immer zu oft und zu viel, als nocheinmal zu wenig.

Ach ja, morgen geht es weiter und danach auf einem Boot auf den Amazonas.  Es lebe das Abenteuer."






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